Dienstag, 16. Oktober 2007

Wiedersehen

Wir sind uns begegnet und fanden uns nicht besonders sympathisch. Beim zweiten Treffen, wieder einmal bei einem Seminar, haben wir praktisch zusammen gearbeitet, Berührungen gehören da natürlicherweise dazu. Und auf einmal tat sich etwas auf. Wir schauten uns an und spürten beide eine erstaunliche Vertrautheit miteinander. Und Freude. Wir saßen ab sofort nebeneinander, fragten uns insgeheim beide, was da gerade passierte und konnten keine Erklärung finden. Hatten wir uns plötzlich ineinander verliebt, als Nebenwirkung eines körperlichen Kontakts? Oder was war das?

Wir tauschten Adressen aus und unterhielten Mail-Kontakt über die Distanz. Dabei wuchs die beiderseitige Sehnsucht und es musste einfach ein Wiedersehen folgen. Das war ja kaum auszuhalten! Wir verabredeten uns also. Es trat eine gewisse Ernüchterung im Verlauf mehrerer Stunden ein, doch die Verwunderung blieb und ein tiefes Gefühl. Wir beschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen.

Jeder für sich ging später weit zurück in der Erinnerung. Ich verband mich mit der Energie des Freundes und sah mich nun als junge Frau in einer Art Luftschutzkeller oder Bunker. Er war gerade hinaus gegangen. Er war der Mann, den ich so sehr liebte - und er kehrte nicht zurück. Ich weiß, dass ich gewartet habe, Minuten, Stunden und später noch Jahre lang. Aber er kam nicht wieder, nie mehr. Meine große Liebe war vermisst. Aus der gemeinsamen Zukunft wurde nichts. Oh, welche Trauer! Immer wieder unbegründete Hoffnungsschimmer, immer wieder dann die Einsicht, dass es vorbei war, dass er gefallen war. Und all das überwältigte mich heute noch einmal, die Gefühle waren eindringlich und real. Gleichzeitig konnte ich mich aus der Position eines unabhängigen Beobachters dabei betrachten und wusste, dass es sich hier um eine Erinnerung handelte. Diese doppelte Präsenz ist typisch für eine Rückführung.

Mein Freund bestätigte mir aus seiner Erinnerung die Situation. Er wusste, dass er diesen Krieg erlebt hatte und fühlte das gleiche wie ich. Welch ein Segen, dass wir uns gefunden hatten! Meine Freudentränen flossen. Ich war unendlich erleichtert und glücklich. Wir hatten diese unerfüllte Sehnsucht aus einem anderen Leben die ganze Zeit über in uns getragen. Und nun war die Auflösung erfolgt, die gebundene Energie war befreit worden. Die Sehnsucht war fort, geblieben war ein tiefer Frieden, eine große Freude und ein Gefühl der Freiheit. Ein Stück Gebundenheit war erlöst worden, ein weiterer Schritt in Richtung Freiheit getan.

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