Donnerstag, 30. Oktober 2008

Die Welle

Ich sitze auf der Bank unter dem großen Baum in meinem Garten. Unglücklich bin ich, fühle mich leer, alles ist ohne Sinn. Es gibt einiges, was ich vermisse in meinem Leben. Wo finde ich jetzt Trost in dieser Depression?

„Ich bin dein Trost, bin hier, in deinem Herzen, unserem Herzen, sozusagen.“
Hm, das, was sich da mein Trost nennt, in meinem Herzen, fühlt sich an wie eine blaue Welle. Sie wogt hin und her und wartet scheinbar darauf, mich zu fluten.

„Ich bin dein Trost. Ich bin dein Sein. Ich bin dein Anteil an der Unendlichkeit. Ich bin die Ewigkeit in dir. Öffne die Schleusentore deines Bewusstseins für mich.“

Immer wieder kommen Gedanken, die wie Wehre wirken, den freien Fluss unterbrechen und verlangsamen. Lass ich mich überrollen von dieser Welle? Sie dehnt sich vom Herzen aus in alle Richtungen, nach innen und außen gleichzeitig . Der Körper reagiert mit einem Juckreiz am Ohr, einem Stechen im Bauch und mancherlei anderen plötzlich auftretenden Symptomen, als hätte er Angst.

„Ich bin die Woge der Liebe. Ich bin die Woge der Wahrheit. Wenn du bereit bist, dann schwemme ich alles weg, was unwahr ist.“

Ich öffne wieder ein paar Schleusentore. Bin ich bereit - oder will ich etwa noch weiter dieses Leid auskosten, das mir so vertraut ist? Will ich den Widerstand aufgeben? Oh, Gott, das ist schwer! Ängste, Bedenken wollen mich bremsen, „retten“ sagen sie. Retten vor mir selbst, vor der Liebe, vor dem Einssein? Ist das nicht verrückt, Angst vor dem Guten, dem Richtigen, dem einzig Wahren zu haben? Diese Welle bin ja ich selbst, diese Welle bin ich viel mehr, als ich meine Ängste und Bedenken bin. Sie sind etwas, was ich habe, was ich mir angeeignet habe, aber nicht, was ich bin. Eine weitere Stufe ist geflutet.

Die Woge sagt: „Ich habe Zeit, ich bin außerhalb der Zeit. Ich befinde mich in der Ewigkeit des Jetzt. Du, Mensch, entscheidest, ob und wann du dich von mir, also von dir, fluten lassen willst.“ 1000 Ablenkungen in Form von körperlichen Empfindungen schieben sich wieder in meinen Wahrnehmungsbereich. Hat der Körper etwas dagegen, die Wahrheit zu erfahren? Es scheint fast so. Der Körper ist der Widerstand. Gut, ich hab ja Zeit, andererseits bin ich der Boss, nicht mein Körper. Er hat Angst sich aufzulösen.

Wieder hab ich eine Staustufe zur Flutung freigegeben. Ich spüre jetzt wie die Welle sich über den Brustkorb hinaus ausgedehnt hat und wie sich kleine Zungen bereits bis in die Hände und in den Unterleib hinein recken mit ihren rollenden Bewegungen. Die Welle nimmt mir fast den Atem, schwappt über mich drüber.

„Keine Angst. Ich bin die Erlösung. Du stirbst nicht, du wirst gerade neu geboren. Du erlöst dich selbst.“ Wer würde sich nicht fürchten vor diesem Tsunami der Liebe? Ja, ich ergebe mich. Ich atme tief in meinen Bauch hinein. Wieder schieben sich Gedanken zwischen mich und die Welle, und Schmerzen. Doch ich lasse zu, dass die Woge Gedanken und Schmerzen einfach mit sich reißt.

Die Welle dehnt sich jetzt über meinen physischen Körper hinaus aus. Sie ergreift Raum um Raum und verbindet dadurch mehr und mehr Räume miteinander. Ich bin diese ungeheure Welle, die so kraftvoll ist und sich beständig ausdehnt.

He Welle, wo ist die Freude und die Liebe, der Trost, den du versprochen hast? „Ich bin der Trost aus den tiefsten Tiefen und den höchsten Höhen. Ich bin die Freude, die aus dem Urgrund von dir zu dir hervordringt. Lass es zu. Ich bin nicht das leichtfertige: „Das wird schon wieder...“. Ich bin das unerschütterliche: „Alles ist perfekt“. Ich bin die Freude, die ein Feuer ist, welches alles andere verbrennt, denn ich bin die Wahrheit. Kannst du mich ertragen? Kannst du dich ertragen? Lass dich langsam aufsteigen aus der Tiefe dieser Welle.“

Ich spüre, wie die Welle lebt, dass sie das Leben ist. Sie spült mich an den Strand, der nur aus einem einzigen Sandkorn besteht, das ich bin. In dieser Winzigkeit eröffnet sich mir wieder meine Unendlichkeit...

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Herbst: Erntezeit

Der Herbst kündigt sich an: bunt gefärbtes Laub, morgendlicher Nebel und das Sonnenlicht hat eine andere Farbe. Das Getreide ist längst eingefahren, nur noch Kartoffeln, Kohl und ein paar Herbstgemüse sind zu ernten. Welche Erfahrungen und Energien ernte ich in diesem Jahr?

Wie wäre es, jetzt einmal inne zu halten und meine persönliche Ernte zu begutachteten? Es ist, wie es ist, und die Früchte meines Tuns, Denkens und Fühlens liegen nun vor mir. Ich will mich daran freuen, denn jetzt ist es Zeit, mein ganz persönliches Erntedankfest zu feiern. Ich übernehme die Verantwortung für das, was ich mit Unterstützung von außen erzeugt habe. All das, was sich mir nun präsentiert, ist meins, das Helle und das Dunkle, das Farbenprächtige und das, was grau in grau daherkommt.

Meinem Erfahrungsspeicher habe ich vielerlei Neues hinzugefügt – oder war es das ewig Gleiche? Mein Erfahrungsspeicher ist meine Schatzkiste und ihr Inhalt ist unverderblich. Es liegt ganz an mir, mich daran zu erfreuen, und zwar auch an den Inhalten, die vielleicht nicht so hübsch anzusehen und wohl riechend sind. Denn mit ihrer Hilfe kann ich neue Potentiale in mir erwecken. Unschöne oder monotone Erfahrungen sind es oft, die uns motivieren, tatsächlich etwas zu ändern, etwas Neues zu beginnen, etwas Überholtes endgültig beizulegen.

Ich feiere jetzt mit meiner ganzen Leidenschaft mein ganz persönliches Erntedankfest. Einige typische Exemplare meiner geernteten Erfahrungen dekoriere ich auf dem Altar meiner Dankbarkeit für dieses wundervolle Leben, für all die Möglichkeiten, aus denen ich jeden Tag wähle, auch wenn dies oft noch unbewusst oder unterbewusst geschieht. Die allerschönsten Blumen meines Gartens lege ich auf den Altar meiner Dankbarkeit, meiner Achtung und Wertschätzung für diese großartige Schöpfung. Einen ganz besonders schönen Blumenstrauß schenke ich auch mir selbst und danke mir dafür, wie ich mein ganz eigenes, persönliches Leben gestalte. Schwierige, unangenehme Erfahrungen sind ebenso wertvoll, wie all die Freude und Liebe und Leichtgkeit, die ich genieße. Welche Fülle! Welche Vielfalt!