Donnerstag, 4. September 2008

Das Gänseblümchen

Das kleine Gänseblümchen

Das kleine Gänseblümchen erwacht. Ein neuer Tag ist angebrochen. Schon zwitschern die Vögel und gleich wird die Sonne aufgehen. Neben dem kleinen Gänseblümchen wächst seine Gänseblümchen-Schwester und um es herum sind noch einige weitere Geschwister, aber sie ist die Jüngste. Das kleine Gänseblümchen spürt deutlich die Kraft seiner Mutter, der lieben Erde, unter sich. Es freut sich an ihrer großen Liebe und streckt und reckt seine Würzelchen so tief nach unten in die Erde, wie es kann. Oben lacht jetzt Vater Sonne und sendet seine warmen Strahlen, die so belebend sind und das kleine Gänseblümchen nun ganz wach machen.

Da kommt ja Freund Schmetterling! Auch er fliegt schon seine Runde und überbringt den Gänseblümchen die Morgenbotschaft. Noch einige weitere Besucher sind heute früh unterwegs auf der Wiese. Alle sind dem kleinen Gänseblümchen willkommen, die dicke Hummel brummt herbei und eine grünlich schillernde Fliege stattet ihm einen Besuch ab.

Aber da ist noch jemand. Lisa ist wach. Sie ist aus dem Haus in den Garten gegangen. „Oh, wie wunderschön, diese vielen Gänseblümchen!“ Lisa freut sich sehr. Ob sie ein Sträußchen für ihre Mutter pflücken soll? „Oh ja!“, freut sich Lisa über ihre gute Idee. „Die allerschönsten will ich aussuchen.“ – „Oh, hier war der Stiel zu kurz. Ich will darauf achten, nur solche Gänseblümchen zu pflücken, die lang genug sind, damit Mama sie auch in die kleine Vase stellen kann“. Die Gänseblümchen recken ihre Hälse. Jedes will ein großes Gänseblümchen sein. Jedes will erwählt werden, um Lisa und ihrer Mutter eine Freude zu machen. Lisa geht zwischen den Blumen umher und sucht sorgfältig diejenigen aus, die besonders schön strahlen und die groß genug sind, um in der kleinen Vase ein Mitglied des Gänseblümchenstraußes werden zu können.

„Hier, hier! Wähle mich!“, rufen die Gänseblümchen. Doch nur ein paar sollen mit hinein ins Haus. „Ich will dir und deiner Mutter Freude bereiten! Nimm mich mit, Lisa!“, sagt unser kleines Gänseblümchen. Lisa lacht. Sie kann nämlich die Gänseblümchen-Sprache verstehen. Das Gänseblümchen erklärt nun Lisa: „Weißt du, für uns ist es die größte Freude, Freude zu bereiten. Das ist es, wozu wir da sind.“ Und Lisa antwortet: „Ihr lieben Gänseblümchen. Was für eine schöne Aufgabe ihr euch da ausgesucht habt! Ihr seid ja die Freude selbst! Heute will ich ein paar wenige von euch mit ins Haus nehmen. Du, kleines Gänseblümchen, bist dabei. Ihr anderen vielen aber dürft hier draußen auf der Wiese bleiben. Hier macht ihr uns doch ebenso viel Freude. Jeden Morgen, wenn ich hinaus komme, und meine Mutter, wenn sie aus dem Fenster schaut, freuen wir uns an euch und eurem Leuchten im Grün der Wiese. Und wir denken, wie schön ihr seid, und so habt ihr ein dickes Lächeln in unser Gesicht gezaubert, auch wenn einmal ein Regentag ist. Dafür danke ich euch. Und ich komme bestimmt bald wieder heraus zu euch in den Garten, um euch zu besuchen.“ Und mit einem „Tschüß, ihr Gänseblümchen“ nimmt Lisa ihren kleinen Strauß samt unserem kleinen Gänseblümchen und verschwindet wieder in der Terrassentür. „Tschüß, Lisa“, rufen die Gänseblümchen, „bis bald.“

© Ina Martina Klein, Aug. 2008