Donnerstag, 11. Oktober 2007

Der Engel des Dunkels

Im Zustand der Selbstvergessenheit und gleichzeitig völliger Konzentration erhebe ich mich geistig und spüre, ich bin nun inmitten der Engel. Wie schön und angenehm das ist! Ich fühle mich leicht und frei, nehme diese wundervolle Gesellschaft wahr, pastellene Wesen, Körper wie eine Ahnung von Schleiern, scherzende Freude. Zwei besondere Begegnungen habe ich dort. Von einer will ich jetzt erzählen. Ich interessiere mich für den Engel des Dunkels.

Der Engel des Dunkels arbeitet unermüdlich. Er sitzt an einem großen Schreibtisch. Hinter ihm tun sich Gänge auf, an denen Schränke stehen, so weit ich schauen kann. In den unendlich vielen Schränken befinden sich unendlich viele Schließfächer, alle wohl verschlossen. Wie im Tresorraum einer Bank reiht sich Schließfach an Schließfach, nur findet dieser Tresorraum hier kein Ende und reicht über den Horizont hinaus.

Dies ist das Reich des Engels der Dunkelheit. Zunächst bin ich verwundert, das hätte ich mir anders vorgestellt. Doch er zeigt mir, was er dort tut: Dieser große Engel arbeitet und schafft pausenlos, ordnet, katalogisiert, verwahrt und schützt in den vielen Schließfächern unser Dunkel, unseren Schatten. Er hat viele Helfer und Assistenten, die um ihn herum und in den vielen Gängen herum sausen und ihre Arbeit genauso akribisch tun wie er. Ständig werden neue Eingänge verzeichnet und nichts geht verloren. Wir Menschen lassen hier unsere Schatten verwahren, unser Dunkel. Die Engel hüten es für uns und sperren es weg und zwar genau so lange, wie wir das wollen.

Wenn wir später erneut vorsprechen beim Engel des Dunkels und bereit sind, unser Dunkel wieder in Empfang zu nehmen, dann geschieht etwas erstaunliches. Ich beobachte, wie einige Schließfächer gerade geöffnet werden, weil ihre Besitzer den Auftrag dazu erteilt haben. Ein Engel öffnet ein bestimmtes Schließfach und das Dunkel darin verwandelt sich umgehend, sobald die Tür geöffnet wird. Das Dunkel ist nicht länger dunkel. Ich sehe, wie daraus viele kleine leuchtende Vögelchen entstanden sind. Sie flattern in die Freiheit, einem fröhlichen Leben voller Frieden entgegen.

Das ist großartig! Wenn wir das wüssten, würden doch bestimmt viele von uns sofort und mit Freude unseren eingesperrten Schatten, unser Dunkel aus dem Tresor befreien und erlösen. Wir brauchen ja nur den Engel der Dunkelheit aufzusuchen, der unsere Schatten hütet, solange wir es wollen. Ich danke, dir, du großartiger Freund, für deinen Dienst. Unermüdlich bewachst du unser Dunkel, verwahrst es in Sicherheit. Gewissenhaft, ohne Unterlass und ohne müde zu werden, arbeitest du, denn ständig bescheren wir dir neue Aufträge. Danke, Engel der Dunkelheit für deine Liebe, deine Hingabe, deinen Dienst!

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